The Spectres of Memory
Claudia Larcher
Text by Claudia Slanar
The presence of time is underlined by the absence of human protagonists, at least in Claudia Larcher’s video animations. People may be present acoustically, in the objects we are shown, in the form of a voice slowly emerging from the background din only to quickly fade again or, in a more abstract way, as sound fragments indicative of human activity. Visually though, all human beings seem to have simply vanished, as if after an apocalyptic catastrophe, while their belongings have been perfectly preserved. “In its countless alveoli space contains compressed time. That is what space is for”, Gaston Bachelard writes in his “Poetics of Space”. Larcher’s works thus pose the question of their chronotype: How are setting and story connected, what do we learn from these places and the objects they contain, props that claim to have a function – living, homemaking, working – we never get to see?
On the one hand, Larcher’s films are studies of architecture (BAUMEISTER, HEIM) and its intrinsic character. On the other hand, these are shown to be especially in the context of the compression of time, as reconstructed rather than deconstructed spaces of memory. In HEIM it is a typical family dwelling – perhaps the artist’s parents’ house as the title suggests – whose interior is meticulously recorded; in YAMA it is a montage of places Larcher visited when she was living in Japan.
Claudia Larcher’s technique of recording individual images then animated into virtual sequences and tracking shots, pans, tilts and parallaxes provides new perspectives on the extant architecture, thus broadening the narrative options. The films suggest movements where there is none, spaces start to move, they protrude and recede, jump forth and back, they expand or turn two-dimensional, they seem to be almost at bursting point and in the end they go back to where they started. This return to the point of departure is another distinctive feature of Larcher’s work, suggesting a narrative and visual cohesion that turns every video into a cosmos of its own following its own chronotopical logic.
These leaps in space and time may seem practically seamless. Much rather, though, the seams between the real and the virtual are folded into one another, giving the rooms a stage-like semblance that highlights the sinister within the homely. “The unconscious abides” (Bachelard) in these rooms and with them the past, experiences (traumatic or not), memories, dreams, déjà vu. Sometimes this unconscious literally rises to the surface, often buoyed by Constantin Popp’s dramatic scores hovering between operating noise ‘real’ sounds and abstract composition. These outbursts are sometimes delirious (BAUMEISTER) or repetitive (YAMA), often unsettling (HEIM) but always controlled (EMPTY ROOMS). Larcher’s “topoanalyses” make use of a laconic gesture of observation that is often at odds with the new perspectives and the rooms’ artificiality. Not least, this can be seen in the complex relationship between inside and outside, which is clear-cut only at first glance but fluid and keeps shifting. The boundaries of space are porous and dissolve, even glass doors are opaque most of the time and windows open up onto things threatening and surreal. Interiors eventually turn into the internal (that, is the triggered psychological state), which in some of Larcher’s works can actually be quite funny: carps at the window, a “dripping” sound score and echoes of Stanley Kubrick in Dornbirn’s broadcasting centre.
German Version:
Die Gespenster der Erinnerung
von Claudia Slanar
Die Anwesenheit der Zeit wird durch die Abwesenheit menschlicher Protagonisten verdeutlicht, zumindest in Claudia Larchers Videoanimationen. Sie sind zwar akustisch präsent, über die abgebildeten Gegenstände, als Stimme, die langsam entschlüsselbar wird und sich dann bald darauf wieder im Äther verliert, oder abstrakter als Tonfragmente, die von Tätigkeiten zeugen. Visuell scheinen sie jedoch wie nach einer apokalyptischen Katastrophe einfach verschwunden zu sein, während ihre „Hinterlassenschaft“ perfekt konserviert wurde. „In seinen Honigwaben speichert der Raum die verdichtete Zeit. Dazu ist der Raum da,“ schreibt Gaston Bachelard in seiner Poetik des Raumes. So stellt sich bei Larchers Arbeiten die Frage nach deren Chronotopos: Was sind die Zusammenhänge zwischen Schauplatz und Narration, wovon erzählen diese Räume, deren Versatzstücke eine Funktion – Wohnen, Arbeiten, Leben – behaupten, aber nie sichtbar machen? Einerseits sind es Studien über Architektur (Baumeister, Heim), und deren intrinsischen Charakter, dem sie versucht, nachzuspüren, andererseits präsentieren sich diese, gerade in der Verdichtung der Zeit, als Erinnerungsräume, die mehr rekonstruiert als dekonstruiert sind. In Heim ist es das typische Einfamilienhaus – vielleicht sogar das Elternhaus der Künstlerin wie der Titel suggeriert – dessen Interieurs minutiös aufgezeichnet werden, in Yama sind es die Orte des Japanaufenthaltes der Künstlerin, die ineinander montiert wurden, Empty Rooms entstand ebenso während eines Auslandsaufenthaltes und Baumeister als Auftragsarbeit. Durch die Arbeitsweise der Aufnahme von Einzelbildern, die in virtuellen Schwenks, Kamerafahrten, Drehungen und Parallaxen animiert werden, kommt es zu neuen Sichtweisen auf die vorhandenen Architekturen und damit zu einer Erweiterung der Erzählmöglichkeiten. Bewegung wird suggeriert, wo keine ist, Räume werden mobil, springen vor- und zurück, dehnen sich auf, und werden zweidimensional, scheinen beinahe zu bersten und kehren schließlich wieder zum Ausgangspunkt zurück. Diese Rückkehr zum Ausgangspunkt ist ein ebenso typisches Gestaltungsmerkmal von Larchers Arbeiten und suggeriert narrative und visuelle Geschlossenheit, die jedes Video zu einem eigenen Kosmos, seiner eigenen chronotopischen Logik folgend, werden lässt. Doch die Raum- und Zeitsprünge verlaufen nur beinahe nahtlos, vielmehr kommt es zu einer Verstülpung der Nähte zwischen real und virtuell, was wiederum zu einer Kulissenhaftigkeit der Räume führt, die das Unheimliche im Heimlichen nur unterstreicht. „Das Unbewusste hält sich auf,“(Bachelard) in diesen Räumen und mit ihm die Vergangenheit, Erlebnisse (traumatisch oder nicht), Erinnerungen, Träume, Déjà-vues. Manchmal gelangt diese Unbewusste buchstäblich an die Oberfläche, oft unterstützt durch die von Constantin Popp inszenierte dramatische Tonebene, die sich zwischen Betriebsgeräuschen, „realem“ Sound und abstrakter Komposition bewegt. Diese Ausbrüche sind manchmal delirierend (Baumeister) oder repetitiv (Yama), oft beunruhigend (Heim), bleiben aber immer kontrolliert (Empty Rooms). Larchers „Topo-Analysen“ arbeiten mit einer lakonischen Geste der Beobachtung, die sich immer wieder an neuen Blickwinkeln, und an der Künstlichkeit der Räume reibt. Dies äußert sich nicht zuletzt in der komplexen Beziehung zwischen Innen und Außen, die nur auf den ersten Blick eindeutig ist, sich jedoch permanent verschiebt. Raumgrenzen sind porös, lösen sich auf, selbst Glastüren sind meist opak und Fenster geben den Blick auf Surreal-Bedrohliches frei. Das Innen verändert sich schließlich ganz zum Inneren (also der ausgelösten psychologischen Verfasstheit), was in einigen Arbeiten nicht einer gewissen Komik entbehrt: Karpfen am Fenster, „tropfender“ Sound und Stanley Kubrick-Anklänge im Funkhaus Dornbirn.